Interview: „Ich höre nicht auf Künstlerin zu sein, nur weil ich Mutter geworden bin.“
Ein Gespräch mit Schauspielerin Meret Engelhardt über ihr Kinodebüt in 'Wilma will mehr', Mutterschaft im Kulturbetrieb – und wie ihre Karriere begann mit einer roten Baskenmütze.
Meret Engelhardt, der Film ‚Wilma will mehr‘ kommt gerade in die Kinos und du warst in Berlin bei der Premiere das erste Mal auf dem roten Teppich. Wie war das für dich?
Es war ein besonderer Moment und auch sehr berührend. Im Publikum waren viele Frauen, die sich in der Figur der ‚Wilma‘ wiedergefunden haben. Einige meinten, dass sie einen Kloß im Hals hatten während des Films, weil sie sich und ihre Geschichte repräsentiert gesehen haben. Und natürlich habe ich mich auch sehr gefreut, den Film zu sehen, Freundinnen zu treffen und mal wieder ins Kino zu gehen – als junge Mutter passiert das nicht mehr so oft. (lacht)
Du spielst eine Feministin, die Ende der 90er Jahre in Wien auf eine Frau aus der ehemaligen DDR trifft. Was hat dich an der Rolle besonders gereizt?
Mich hat vor allem die Spannung zwischen diesen beiden Frauenfiguren gereizt. Matilde, die ich spiele, kommt aus einem akademisch geprägten Milieu in Österreich und ist sehr überzeugt von ihren feministischen Prinzipien, die eher theoretisch sind. Und dann trifft sie Wilma, die ihr Leben gerade neu denken muss – nach der Wende, nachdem sie ihren Job verloren hat und auch ihren Partner. Beide wollen eigentlich dasselbe: Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Aber sie sprechen unterschiedliche Sprachen, was Feminismus betrifft, sind ganz anders sozialisiert und geprägt worden durch ihr Umfeld. Es war sehr interessant und heilsam sich damit auseinanderzusetzen.

Der Film war dein erstes Projekt nach der Geburt deiner Tochter. Wie kam es überhaupt dazu, dass du für den Film gecastet wurdest?
Sebastian Geißler, der damals neu bei der ZAV-Künstlervermittlung war, hat mich im Sommer 2023 angerufen, um nachzufragen, wo ich gerade stehe schauspielerisch. Ich war damals noch in Elternzeit nach der Geburt meiner Tochter. Er meinte, es sei trotzdem wichtig, im Gespräch zu bleiben, und hat mich ermutigt, meine Sedcard zu aktualisieren, mein Profil auf den Schauspieldatenbanken zu pflegen und auch aktiv Caster*innen zu kontaktieren. Das habe ich gemacht und kurz darauf kam tatsächlich die Anfrage von Tanja Schuh, die den Film besetzt hat.
Wie ist das Casting gelaufen?
Es war im besten Sinne herausfordernd. Nach einem E-Casting bin ich nach Berlin eingeladen worden. Dort habe ich in einer Art Konstellation-Casting mit einem Partner Szenen vorgesprochen. Gleichzeitig gab es aber einen intensiven Austausch mit Tanja und Maren-Kea Freese, der Regisseurin des Films. Es war eine offene, dialogische Arbeitsweise. Wir haben gemeinsam die Figur erforscht und die Zusammenarbeit war von Anfang an von Vertrauen geprägt.
Hast du gedacht, dass du die Rolle bekommst?
Obwohl es gut gelaufen ist, hatte ich ehrlich gesagt das Gefühl: Als Mutter bin ich wahrscheinlich nicht attraktiv, ein Risiko für die Produktion. Ich höre leider immer wieder von Freundinnen und Kolleginnen, dass sie nach der Geburt ihres Kindes weniger Angebote erhalten. Aber dann kam die Zusage und ich habe mich riesig gefreut.
Wie war es am Filmset als junge Mutter?
Es war eine durchweg positive Erfahrung. Mein Mann, der wie ich am Oldenburgischen Staatstheater fest engagiert ist, konnte mich ans Set begleiten. Wir haben als Familie in der Nähe des Sets gewohnt. Ich konnte Stillpausen einlegen, das ganze Team war aufmerksam, verständnisvoll, interessiert. Es gab viele Gespräche über Kinder, Rollenbilder und Familienmodelle. Diese Offenheit hat sich auf die Stimmung am Set übertragen – und, glaube ich, auch auf den Film. Für mich war es eine tolle Erfahrung, nicht nur wegen der Rolle, sondern weil es gezeigt hat, dass es möglich ist, beides zu leben: Schauspielerin und Mutter.
Wie ist es für dich, zwischen Bühne und Kamera zu wechseln?
Ich bin sehr dankbar für mein festes Engagement am Theater. Es gibt mir künstlerische und finanzielle Sicherheit. Im Theater lebt eine Figur über Monate. Ich habe Zeit sie zu entwickeln, zusammen mit den anderen Darsteller*innen. Film dagegen ist dichter, intensiver, genauer. Man arbeitet mit kleinen Nuancen. Ich liebe diese Genauigkeit und freue mich auf den nächsten Film. Die Möglichkeit beides zu machen, schätze ich sehr.
Gibt es Herausforderungen beides zu koordinieren?
Nein, das Oldenburgische Staatstheater ist sehr familienfreundlich. Als klar war, dass ich diesen Film drehen kann, haben wir gemeinsam nach Lösungen gesucht. Sie ermutigen mich sogar Projekte zu realisieren. Als mir Anfang 2024 eine kleine Rolle bei der 5. Staffel von Babylon Berlin angeboten wurde, hat der Schauspiel-Direktor sofort gesagt: das machst du natürlich! Das ist ein großes Glück und alles andere als selbstverständlich in der Branche.
Wolltest du schon immer Schauspielerin werden?
Meine Eltern sind mit mir oft ins Theater gegangen. Ich würde sagen der Startschuss meiner Schauspiel-Karriere war der Besuch einer Inszenierung von 'Pünktchen und Anton'. Danach habe ich wochenlang die rote Baskenmütze meines Vaters getragen und war komplett in der Rolle von Pünktchen.
Was wünscht du dir für die Zukunft der Branche?
Ich wünsche mir mehr Mut und Offenheit in der Branche - und dass Mutterschaft nicht mehr als Hindernis gesehen wird. Ich höre nicht auf Künstlerin zu sein, nur weil ich ein Kind bekommen habe. Im Gegenteil: Die Erfahrungen, die ich als Mutter mache, können die Arbeit vertiefen und bereichern. Ich habe selbst erlebt, wie gut es funktionieren kann, wenn auf allen Seiten – in Produktionen, Theatern, Agenturen – die Bereitschaft da ist, gemeinsam Lösungen zu finden.
Und zum Schluss: was würdest du jungen Schauspielerinnen mit auf den Weg geben?
Dranbleiben! Mutig sein und einfach machen. Der Weg ist nicht immer leicht, aber es lohnt sich durchzuhalten. Ich habe mit 34 Jahren meine erste Kinorolle bekommen. Und ich freue mich schon auf die nächste.
Meret, vielen Dank für das Gespräch.
Der Film 'Wilma will mehr' mit Meret Engelhardt läuft ab 31. Juli in Kinos Deutschlandweit.
Hier geht es zu Meret Engelhardts Sedcard.