Auf einen Kaffee im Palast

Auf einen Kaffee im Berliner Friedrichstadt-Palast mit Sebastian Hüchtebrock, dem Leiter Casting und Besetzung und Andreas Bieber, der in der fulminanten VIVID Grand Show, den Conférencier "The Entertainer" spielt.

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Herr Hüchtebrock, Sie sind seit 2014 im Casting – und Besetzungsbüro des Palastes. Wie sind Sie auf die ZAV Künstlervermittlung aufmerksam geworden?

Im Grund bin ich zuerst als Praktikant in den Palast gekommen und nach meinem Theaterwissenschaft Studium bereits 2007 im Creativ Design und anschließend im Castingbüro gelandet. Zu jeder Show – also alle 2 Jahre – ändert sich das Team. Die Autoren und Regisseure beeinflussen durch ihr Schaffen die Anforderungen an die Künstler. Lediglich das Ballett, Oliver Hoppmann der Creativ Director und das Orchester sind fester Bestandteil des Ensembles. Hier werden Mitarbeiter gesucht, die das Haus verstehen.

Ich kennen Ihren Kollegen Norbert Hunecke (Fachbereich Musical) aus den Zeiten als er noch selbst Musicaldarsteller war… – und Sie sind ja auch schon ewig dabei?! Die ZAV ist Bestandteil der Ausschreibungsprozesse und Norbert war sehr oft dabei. Artistische Darbietungen such ich gern selbst bei Festivals, allerdings wende ich mich auch gern an Sie. Es gibt immer Schnittstellen, wo ich mich gern an die ZAV wende. Am Ende ist es doch eine kleine (Künstler-) Welt.

Auf der Website des Palastes steht die beeindruckende Zahl von 100 Bewerbungseingängen für jede vakante Stelle. Wie lange dauert es, die richtige Auswahl zu treffen?

2 Jahre vor Beginn der Show entsteht das Konzept, ca. ein halbes Jahr später werden die Grundpfeiler der Show entworfen. Ein Jahr davor beginnt der „Character – Breakdown“. Wir starten eine weltweite Ausschreibung für im Grunde 4 Rollen. Die Vorauswahl aus 800 Bewerbungen wird in mehreren Runden von Auditions mit Choreograph, Schauspieltrainer und anderen Spezialisten des Hauses vorgenommen. Wir starten oft mit 280 Bewerbern und ein halbes Jahr vor Beginn beginne die Arbeitsproben mit den verbleidenden Bewerbern. Es ist ein für alle schwerer Prozess, der am Ende einen attraktiven Arbeitsplatz und eine tolle Referenz bietet.

Die Premiere von VIVID Grand Show ist noch nicht lange her. Wann geht es in „Fein – Tuning“ für die nächste Show?

Tag 1 nach der Premiere! Der Produktionsmodus hält an. Zuerst agieren der Regisseur und Oliver Hoppmann. Die Auswahl des Ensembles erfolgt natürlich nach Festlegung des Konzeptes. Vorbereitung ist alles und ich rate jedem Bewerber genau auf die Anforderungen zu achten. Man sollte vermeiden, Titel vorzubereiten, die nicht zum Motto/ Thema/ Arbeitstitel passen. „My fair Lady“ passt eben nicht immer.

Das Ensemble ist der Star. Der Stil der Show hat sich verändert, es gibt auch keine Ballettsolisten mehr. Auch dafür brauchen wir externe Talente.

Gibt es eine Show Idee, die Sie unabhängig von Geld und Möglichkeiten, gern mal umsetzen möchten?

Früher gab es eine Show mit Shirley Bassey und Frank Sinatra mit großen Orchester auf einer Bühne ; das dürfte schwer werdenJ Aber mir würde eine Moulin Rouge Show gefallen!!

Welche Arbeitspartner und Maßstäbe haben Sie weltweit?

International sehe ich Las Vegas als Referenz. Das ist schon toll, was dort entwickelt wird. Es gibt auch große (Zirkus-) Festivals in Europa auf denen ich häufig zu finden bin. Im Grunde beeinflussen auch große Konzerte wie Madonna oder Kylie Minogue meine Maßstäbe.

Wie schätzen Sie die Wirkung der sozialen Netzwerke für das Gelingen einer Show ein?

Im Grunde sehr hoch. Unser Haus hat ein zwar ein künstlerisch und technisch hohes Level in der Urform des Entertainments mit viel Seele. Für die Berliner Touristen ist das Haus sehr interessant. Mundpropaganda reicht da nicht aus.

Sie sind sehr engagiert und Sie sind viel unterwegs. Wie schätzen Sie Ihre Work – Live - Balance ein?

Eine gute Frage (lacht). Ich bin verheiratet und meine Frau war früher selbst Tänzerin hier im Haus. Das Schicksal hat sich für uns beide gefügt und somit ist es keine Herausforderung, abends sehr häufig unterwegs zu sein und eine gesunde Partnerschaft mit Kind zu haben. Ich muss ihr nichts über meinen Beruf erklären. Aber Sie haben Recht: Das Privatleben ist für mich wie auch jeden Darsteller im Palast sehr wichtig.

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Andreas Bieber, ist der Auftritt im Palast immer wieder ein Highlight oder gewöhnt man sich an die niveauvollen Standards und technischen Voraussetzungen?

Oh ja, der Puls steigt vor jeder Show. Es ist jeden Abend anders. Dadurch bleibt es spannend, das Publikum lässt sich leider nicht „briefen“…. (lacht). Meine Figur als „Entertainer“ hat direkten Kontakt zu den Zuschauern und darf, mitunter auch mal etwas frech, den Laden aufmischen. Als Darsteller ist es toll, diese Palette zu bedienen. 

Ich hatte immer schon einen gesunden Respekt vor dem Haus. Vor Jahren habe ich mich hier mit 2 von mir aufgenommenen Popsongs beworben. Als Arbeitsprobe sollte ich daraufhin 2 Songs von Christina Aguilera singen, habe mich aber entschieden, es zu lassen. Das bin ich sowas von nicht nicht!Also warum dann bewerben? Ich glaube das war die richtige Entscheidung, sonst würde ich heute hier vielleicht nicht auftreten.

Haben Sie Tipps für junge Kollegen, um sich erfolgreich für kommende Shows zu bewerben?

Authentisch sein. Wenn ich mir nicht sicher bin, lieber mal nein sagen. Meiner Beobachtung nach, werden die jungen Künstler zwar gut ausgebildet und können viel. Sie werden in Ihrer Individualität nicht ausreichend gefördert und manchmal sehen die Ergebnisse dann etwas austauschbar aus. Das finde ich schade. Ein Künstler muss sich ausleben können, kreativ erfinderisch statt als Kopie von bereits Bestehendem. 

 Wie empfinden Sie Ihre Arbeit am Palast?

Im Moment fühle ich mich hier einfach nur wohl und genieße.

Meine Erfahrung hilft mir natürlich auf dieser großen Bühne. Es wurden spektakuläre Bilder für die Show kreiert. Die Persönlichkeit und Präsenz spielt hier also eine umso größere Rolle. Ein Vorführen von Technik reicht nämlich nicht aus. Ich durfte und darf meine Figur als Entertainer mit gestalten und mit meiner Persönlichkeit ausstatten, was heute ein seltenes Privileg ist. Die Arbeit hier macht mir dadurch einfach doppelt Spass.

Schauen Sie sich regelmäßig andere Shows oder Formate an? Vielleicht international?

Im Moment kann ich das leider nicht, aber grundsätzlich schaue ich viele unterschiedliche Sachen. Das reicht vom Kellertheater, einem 2-Personen-Stück bis hin zum Musical in New York oder London. Ich sammle dort wertvolle Eindrücke. Ich erlebe gerne auch Musicals im kleinen Rahmen, weil man dort eine andere und vielleicht direkte Rückmeldung der Zuschauer hat im Vergleich zu den großen Bühnen mit der entsprechenden Distanz zum Saal. Ich schaue mir auch immer wieder gern reines Schauspiel auf der Bühne an, denn da ist es üblicher und erwünschter, daß die Darsteller ihren Rollen individuelles Leben einhauchen. Das ist immer eine neue lehrreiche Erfahrung für mich. 

Der Unterschied zwischen Fernsehen und Bühne ist auch immer eine Herausforderung. Eine völlig andere Arbeits- und oft sogar Spielweise, z.b. durch bestimmte Kameraeinstellungen. Die komplette Geschichte beim Film entsteht nunmal erst im Schneideraum. Auf der Bühne geht es ums Hier und Jetzt, und in diesem Moment um Alles! Das kostet viel Energie, aber das merk ich glücklicherweise immer erst danach…..

Auf welche künstlerische Projekte freuen Sie sich, die Sie unbedingt verwirklichen wollen? 

Alles was kommt, passt und neu ist!

VIVID The Grand Show