Eine Brücke verbindet!

Stabübergabe in München.

Unser längjähriger Mitarbeiter Thomas Trost, der über zwei Jahrzehnte Filmschaffenden von München aus in Lohn und Brot brachte, verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand.

ThomasTrost-ZAV-Künstlervermittlung-Filmschaffende-Ruhestand-Esxpertise-Experte-Network Foto (c) privat

Lieber Herr Trost, in wenigen Tagen ist es soweit, Sie verlassen nach 21 Jahren die ZAV-KV. Wie geht es Ihnen?

Ich bin gut vorbereitet, habe Pläne und freue mich auf den neuen Lebensabschnitt, aber es wird auch von Tag zu Tag emotionaler, damit habe ich so nicht gerechnet. Das liegt natürlich auch daran, dass Corona bedingt alles einem geselligen Ausstand mit den Kolleg*innen im Wege steht.

Blicken wir zurück in das Jahr 2000: Woher kamen Sie und was kam auf Sie zu?

Ich war in der Branche der klassische Quereinsteiger: Angefangen habe ich als Produktionsfahrer, dann wurde ich Set-Aufnahmeleiter und schließlich 1. Aufnahmeleiter beim Film. Ich war ein sehr gut beschäftigter Freelancer, der von Projekt zu Projekt gelebt hat.

Mit der Familiengründung hat das dann nicht mehr so richtig gepasst, und ich bin zum Fernsehen gewechselt. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern war alles längerfristig geplant und die Arbeitszeiten beim Fernsehen waren humaner und familienfreundlicher, aber man wurde auch dort nicht fest angestellt. Für einen festen Freien - und das ist auch heute noch so - sind die Produktionstage und damit die Verdienstmöglichkeiten begrenzt. Deshalb habe ich parallel für zwei Sender gearbeitet, den BR und das ZDF. Das war inhaltlich spannend, weil ich sowohl für Filmproduktionen als auch für Fernsehformate arbeiten konnte. Beim ZDF war ich in den 90er Jahren u.a. bei deren erstem Frauenmagazin MONA LISA mit dabei. Aber die Koordination der Termine wurde nicht einfacher, es gab Schwierigkeiten mit verschnupften Disponent*innen, wenn ich etwas absagen musste und es konnte sein, dass man dann beim nächsten Mal nicht gebucht wurde.

Also immer noch keine idealen Bedingungen für einen Familienvater?

 Mit zwei inzwischen schulpflichtigen Kindern, ein Sohn und eine Tochter, habe ich u.a. deswegen nach einer Festanstellung gesucht. Und wäre um ein Haar bei Studio Hamburg gelandet. Ich hatte bereits eine Zusage in der Tasche, habe mich aber dann für die ZBF München und damit auch für meine Heimat entschieden. Das haben meine Familie und ich nie bereut.

Im März 2000 haben Sie dann in der Sparte Stab/Technik als Arbeitsvermittler mit besonderem beruflichen Hintergrund angefangen. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre ersten Arbeitstage?

An das Arbeiten mit Bleistift und Radiergummi, Schreibmaschine und Fax. Es gab nur elektronische Bildschirmarbeitsplätze an Nixdorf-Terminals für die Datenerfassung und nur eine einzige Online-Verbindung zur damaligen Arbeitsamt. Und nicht zu vergessen einen Stand Alone-PC mit Internetverbindung und selbstgestrickter Mailadresse.

Klingt wie Nachrichten aus einer versunkenen Zeit.

Aber schon nach wenigen Tagen, am 12. März 2000 begann dann der Roll-Out der PCs und damit verbunden eine große Schulungsoffensive. Die wenigsten hatten bereits einen PC zuhause und brachten - anders als heute - kein privates IT- Know-how mit. Und von da an war für mindestens 7 Jahre alles in ständiger Bewegung. Und zwar auf allen Ebenen. Die Filmbranche veränderte sich durch die Digitalisierung von Schnitt und Kamera rasant. Eine ganze Generation von Cutter-Assistent*innen wurde über die AA zum Digital Video Editor umgeschult, wer auf diesen Zug nicht aufsprang, war raus aus dem Geschäft. Hinzu kamen die teils rigiden Trainingsmaßnahmen des Arbeitsamtes im Zuge der Arbeitsmarktreform für einen Teil von Filmschaffenden – Stichwort: Hartz-Gesetze

Die Zeit der Videokassetten ging zu Ende. Hier waren bis dahin unsere gesamten Künstler*innen mit ihrem Bildmaterial gespeichert. Und die haben wir im Jahr 2006, als ich für die Organisation des Umzugs von Schwabing nach Pasing verantwortlich war, noch mitgenommen und es gab dort einen Video-Raum mit VHS-Archiv.

Sie sprachen vom Schlagwort "Weiterentwicklung der ZAV", das Sie gefühlt über Jahre begleitet hat.

Ja, denn abgesehen von der technologischen Entwicklung und dem physischen Umzug wurde im Jahr 2006 auch noch der ehemalige Künstlerdienst und die ZBF zur ZAV-Künstlervermittlung zu einem neuen Geschäftsbereich organisatorisch zusammengeführt und näher an die BA angebunden, auch oder auch gerade durch VerBIS. Eine große Umstellung und Herausforderung für alle Mitarbeiter*innen.

Haben Sie zwischendurch mit Ihrer Entscheidung gehadert, etwas aus ihrem früheren Berufsleben vermisst?

Natürlich haben mir die Besuche am Set und die Nähe zur Produktion anfangs gefehlt. Ich konnte zuschauen, wie die Karriere ehemaliger Kolleg*innen und Mitstreiter*innen beim Film und TV voranging. Der zunehmende Verwaltungsaufwand innerhalb unseres Tätigkeitsbereichs hat natürlich auch dazu geführt, dass man zum Büroarbeiter wurde. Aber ich hätte vor Eintritt in die damalige ZBF in einem nächsten Schritt in die Produktionsleitung wechseln müssen, und das habe ich nie angestrebt. Ich fühlte mich schon damals als Aufnahmeleiter wohler. Ich habe in der passgenauen Vermittlung von Fachpersonal ein Arbeitsfeld gefunden, in dem ich mit meiner Expertise die Film- und Fernsehproduktion über alle Krisen (Kirchpleite, Degeto-Krise, Corona-Pandemie ) hinweg begleiten und unterstützen konnte, und ich fühle mich nach wie vor mittendrin in einem weit verzweigten Netzwerk, und damit der Branche und ihrer Entwicklung fest verbunden. Ich bin dankbar, dass ich mich all die Jahre in meinem Metier "austoben" konnte, und das in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung innerhalb einer Behörde, die mittlerweile viel moderner ist, als sie manchem von außen vielleicht erscheint.

Sie arbeiten gerade ihren Nachfolger ein. Was möchten Sie ihm und der KV insgesamt mit auf den Weg geben?

Wir befinden uns gerade schon wieder in einer Aufbruchsphase. Der Film- und Fernsehwirtschaft ist es gelungen, trotz Corona-Beschränkungen weiter zu produzieren und es gibt einen großen kreativen Output an neuen Formaten. Dazu kommen die neuen Mitbewerber wie Netflix und Co, aber auch die agilen Abteilungen der Öffentlich-Rechtlichen, wie ZDF Neo oder ONE. Es wird experimentiert an der Schnittstelle zwischen linearem Fernsehen und Netz, Serien werden zu großen epischen Erzählungen, Mini-Serien, derzeit enorm im Trend, verarbeiten und kommentieren schnell und unterhaltsam aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Der gesamte Markt ist in Bewegung und im Bereich Stab/Technik ist der seit Jahren festgestellte Fachkräftemangel längst nicht behoben. Ich hoffe sehr darauf, dass es analog zu der sehr dynamischen Marktsituation kreative, Standort übergreifende Ideen und Projekte "gemeinsam gegen den Fachkräftemangel" geben wird. Das war immer ein zentrales Anliegen meiner eigenen Arbeit und ich erinnere gerne an den Erfolg der Podiumsveranstaltung zu diesem Thema auf der Berlinale 2020. Ich wünsche mir, dass wir als ZAV weiter dieses Thema moderieren und die Branche wachrütteln. Bitte weitermachen!

Sie brennen nach wie vor so für Ihre Arbeit, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass Sie sich ganz aus dem Berufsleben zurückziehen.

Ich habe in der letzten Zeit die Malerei für mich entdeckt. Ich war immer ein ganz guter Zeichner, aber jetzt habe ich begonnen mit Farbe auf Leinwand zu experimentieren. Letztendlich kam der Impuls durch Corona. Als einer von wenigen Männern gehöre ich gerade zu einer Gruppe (ArtNight.com), die sich via zoom zum Malen verabredet. Aber abgesehen davon, dass es privat gemeinsam mit meiner Frau noch viele Ideen und Pläne für die Zukunft gibt, werde ich tatsächlich beruflich nicht ganz loslassen und mir den Wunsch erfüllen, als Location Scout zu arbeiten. Die Branche ist bereits informiert.

 Haben Sie trotzdem schon einen Plan für den Tag 1 im Ruhestand?

Sehr wahrscheinlich setze ich mich auf mein Motorrad und mache eine schöne Tour als Auftakt in die neue Freiheit.

Alles Gute, lieber Herr Trost und sobald Corona es zulässt, kommen Sie bitte noch einmal zurück zu einer richtig guten Abschiedsparty!

Das Gespräch führte Stephanie Junge, Teamleiterin in der ZAV-Künstlervermittlung München