Auf einen Kaffee mit Pablo Zibes

Während einer Reise durch Europa und Asien, fand der argentinische Schauspieler zur Pantomime.

PabloZibes-Pantomime-Bild1 Quelle: Foto (c) KAME Fotografie

Hallo, Pablo. Du bist nun seit 25 Jahren als professioneller Pantomime tätig. Wie hast Du damit angefangen?

Ursprünglich habe ich eine Ausbildung als Schauspieler gemacht und die Schauspielschule in Buenos Aires besucht. Auf einer Reise durch Europa und Asien war mein Geldpolster schon nach etwa drei Monaten aufgebraucht.Deshalb musste ich schnell Geld verdienen, indem ich meine eigenen Fähigkeiten irgendwie nutzte, um mich über Wasser halten zu können. Ich habe in vielen europäischen und asiatischen Ländern Straßenshows gemacht. Dadurch wurde meine Leidenschaft für die Pantomime geweckt und mir war bald klar, dass ich später bei der Kunstform bleiben möchte.

Durch den Besuch einer Schauspielschule hast Du Dich ja mit diversen Arten des Schauspiels auseinandergesetzt. Gibt es noch andere Gründe, wieso Du Dich insbesondere für die Pantomime entschieden hast?

Das war Schicksal. Pantomime ist eine universelle Sprache. Das ist mit den vielen verschiedenen Lokalsprachen in Europa und Asien anders. Doch in der Pantomime ist es ohnehin so, dass man nur sehr wenig vokalisiert. So konnte ich die Sprachbarriere, wie ich sie auch in Deutschland zum Teil selbst erfahren habe, zumindest teilweise umgehen. Denn Pantomime hat keine Sprachbarriere und kann Menschen aus aller Welt erreichen.

Sprechen Mim*innen denn nie?

Es gibt in jeder Kunstform Extremist*innen (lacht), das ist bei der Pantomime nicht anders. Manche sind hier der Auffassung als Pantomime spricht man bei Auftritten nie. Ich habe da aber eine etwas liberalere Einstellung: Für mich steht immer das Vermitteln der Botschaft im Vordergrund. Wenn dir ein paar Worte dabei helfen können, deine Botschaft besser zu vermitteln, wieso solltest du sie dann nicht verwenden? Normalerweise braucht man als Pantomime die verbale Sprache aber nicht. Ich sage auch gern: „Worte können lügen, aber mit der Körpersprache ist das schwieriger.“

Wie spielt man Pantomime? Was fordert eine geglückte Pantomime-Show?

Auf Englisch heißt Schauspielen „acting“ bzw. „playing“, zu Deutsch „spielen“. Im „Spielen“ steckt schon eine der essenziellen Eigenschaften der Pantomime. Ein Beispiel: Wenn ein kleines Kind einen Stift nimmt, ihn mit einer Hand durch die Luft gleiten lässt und dabei Motorengeräusche macht, denkt man als Zuseher sofort an ein Flugzeug. Man weiß, dass der Stift ein Flugzeug zeigt, oder weitergedacht, in dem Szenario ein Flugzeug ist. Bei der Pantomime ist das nicht anders. Du musst nur überzeugt sein, daran glauben, dass du etwas darstellst, damit das auch beim Publikum genauso ankommt. Diese unterbewusste Kommunikation ist das, was die Pantomime ausmacht. Man sendet quasi Signale, ohne sie zu konkretisieren. Das fordert Authentizität.

Was ist Deine Motivation als Pantomime zu spielen?

Die Sprache der Gesten und Mimik ist eine international verständliche Sprache. Das Publikum kann aus komplett unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, aus verschiedenen Ländern kommen und lacht dennoch zur gleichen Zeit. Es ist ein direkter Kontakt da, das Publikum muss zusehen und konzentriert sein, um zu verstehen. Ich finde, dass Pantomime dadurch immer eine unmittelbare Beziehung mit dem Publikum eingeht.

Du selbst kommst aus Argentinien, Du hast Auftritte nicht nur europaweit, sondern auch an anderen Orten, wie Istanbul, Hong-Kong, Taiwan oder Peking. Welche Unterschiede gibt es mit dem Publikum?

Die Grundbedürfnisse des Publikums sind ähnlich. Denn ich denke, dass alle Menschen gleich sind und ähnliche Lebensbedürfnisse haben. Bei der Körpersprache ist das aber etwas anders. Es gibt ein paar Gesten, die zum Beispiel einen unterschiedlichen kulturellen Bedeutungshintergrund haben. In Deutschland kann ich jemandem den Vogel zeigen um zu sagen „Du spinnst“! Dieselbe Geste bedeutet in Argentinien aber „Du bist intelligent“. Auch der körperliche Abstand zwischen Menschen ist in verschiedenen Ländern anders. In Asien beispielsweise ist es oft so, dass man mehr physische Distanz zum Gegenüber einhält, während das in Amerika etwa wieder ganz anders ist. Natürlich ist man derzeit wegen Corona ohnehin etwas distanzierter.

Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt: Wie gehst Du als Pantomime-Künstler mit Corona um? Was machst Du, wenn es im Augenblick keine Arbeit gibt?

Für meine Branche ist das im Moment natürlich keine einfache Zeit. Wir sind mittlerweile seit über einem Jahr sozusagen im Standby-Modus. Am Anfang der Pandemie kam dann Absage nach Absage, es gab einfach keine Auftritte mehr. Wobei ich, wie viele andere auch, gedacht habe, dass sich das im vergangenen Sommer wieder ändern wird. Oder danach dann eben mit Herbst. Dann mit Weihnachten. Und jetzt haben wir mittlerweile April. Trotzdem habe ich versucht, kreativ und aktiv zu bleiben. Zurzeit arbeite ich mit dem Zauberkünstler Marco Miele zusammen an einem Showkonzept, dass Illusionskunst mit Pantomime verbindet. Daneben wurde mir auch ein Stipendium von „take care“ genehmigt, um eine Recherche zum Thema Stummfilm und dessen Einfluss auf die zeitgenössische Pantomime durchzuführen. Das heißt, ich recherchiere und führe hierzu Interviews, um darüber schreiben zu können. Natürlich trainiere und übe ich auch regelmäßig weiter.

Du hast ja auch für die Initiative „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“ eine Foto-Aktion gemacht. Kannst Du etwas dazu erzählen? Welche Botschaft steckt da dahinter?

Genau, ich war mit der Fotografin Karin Mertens von KAME Fotografie in Stuttgart unterwegs. Wir wollten damit auf die Notlage der Kulturbranche in der Pandemie aufmerksam machen. Die Zusammenarbeit hierfür hat sehr viel Spaß gemacht, vielleicht arbeiten wir auch weiter an dem Konzept. Auf meiner Webseite sind weitere Bilder.

Du hast auch in einigen Fernsehproduktionen mitgearbeitet. Gibt es hier Erfahrungen, die besonders prägend für Dich bzw. deine pantomimische Entwicklung waren?

Ich glaube ich habe dadurch eher etwas Gegenteiliges gelernt. Ich versuche in meinen Auftritten das Publikum richtig wahrzunehmen. Mir geht es dabei um das Gegenwärtige, die Verbindung zum Hier und Jetzt, die man mit dem Publikum eingeht. Die Unmittelbarkeit macht für mich einen großen Teil der Authentizität der Pantomime aus.

Was empfindest Du bei der Pantomime als besonders wichtig, um den Reiz der Kunstform nicht zu verlieren? Gibt es hierfür bestimmte Inspirationsquellen?

Inspiration ist überall, du musst nur aufmerksam sein. Es können Bilder sein, andere Menschen, Gedanken, einfach alle Dinge, die deine Kreativität wecken.

Es liegt an den einzelnen Künstler*innen und -Gruppen, dass sich die Pantomime als Kunstform weiterentwickelt. Das passiert eben durch gegenseitige Inspiration, aber auch durch den direkten Austausch mit anderen Künstler*innen. Ich habe dafür auch eine Plattform Pantomime Mime gestaltet, auf der sich Pantomime miteinander austauschen können. Auch junge Künstler*innen finden hier eine erste Anlaufstelle, wenn sie sich für die Pantomime interessieren. Jede*r kann von jeder*m lernen.

Pablo Zibes bei der ZAV-Künstlervermittlung